Rio – Centro & Maracana
16 03 201110.03.2011, Tag 156
Der voerst letzte Tag in Rio beginnt mit einem Rundgang durch das Zentrum, genauer gesagt den Stadtteil “Saara“, abgeleitet von dem Wort Sahara, da hier vormals viele arabische Einwanderer lebten und arbeiteten. Auf der Busfahrt erfahre ich von Ursula verschiedene Geschichten über die Stadt. Zum Beispiel müssen die Anwohner der früheren Hafenpromenade in Botafogo eine “Piratensteuer“ zahlen. Dies betrifft etwa 4.000 Personen, was zu wenig ist um das Gesetz, dass diese Steuer festsetzt durch eine Volksabstimmung ausser Kraft zu setzen. Wizigerweise liegen diese Gebäude nun gar nicht mehr am Wasser, sondern teilweise bis zu 1 km davon entfernt. Dies ist dadurch begründet, dass man im Zentrum Rios einen Berg abgetragen hat um einen Frischluftkanal zu schaffen, da das Klima in den Sommermonaten dort unerträglich war und die reiche Bevölkerung regelmässig aufs Land geflüchtet ist. Das dort entfernte Material wurde in der Bucht von Botafogo zur Landgewinnung aufgeschüttet. Dort sieht man nun noch die ehemalige Kaimauer, sowie das Ende des Wasserkanals, der im Stadtteil Santa Teresa beginnt unter über ein Viadukt im Stadtteil Lapa Frischwasser zum betanken der Schiffe in den Hafen gebracht hat.
In den von alten Gebäuden gesäumten Gassen von Saara gibt es so ziemlich alles zu kaufen, was man braucht. Über der Strasse weht noch die Karnevalsdeko, die von der grossen Partys der letzten Tage zeugt. Zunächst führt uns der Weg in die Bibliothek, in deren fast ausschliesslich aus Original-Teilen bestehenden Lesesaal es tausende historischer Bücher zu bewundern gibt. Nach einer kurzen Pause im ebenfalls historischen “Café Colon“ besuchen wir noch eine Ausstellung im Gebäude der Banco de Brasil. Dort sind die Werke des niederländischen Künstlers Maurits Cornelis Escher zu sehen, der für seine Perspektivzeichnungen bekannt ist.
Danach verabschiede ich mich, denn ich habe noch einen anderen Programmpunkt und der heisst Maracana. Das Fussballstadion liegt im Nordteil der Stadt, in den man als Tourist sonst eigentlich nicht kommt, da sich alle Highlights Rios im südlichen Teil befinden. Nachdem ich mich aller Wertsachen entledigt habe nehme ich die Metro und begebe mich in den nicht ganz ungefährlichen Teil der Stadt. In der Gegend rund um das Stadion befinden sich zahlreiche Favelas, die Armenviertel Rios. Neben seiner sportlichen Bedeutung gibt es noch einen weiteren Grund warum das Maracana bei mir so deutlich im Gedächtnis ist und dazu möchte ich die Lieblingsgeschichte meines Vaters erzählen: Auf der Südamerika-Reise meiner Eltern 1980/81 wurde auch in Rio Station gemacht. Für einen echten Fussballfan natürlich ein Muss eins der grössten und bekanntesten Stadien der Welt zu besichtigen. Das Erlebnis einer Stadionbesichtigung war an diesem Tag doch leider nicht zu realisieren, dafür geschah etwas anderes. Ein Jogger nähert sich und zückt in unmittelbarer Entfernung eine Waffe und fordert meine Eltern auf ihm alle Wertsachen auszuhändigen. Meine Mutter hält ihm die Tasche entgegen, in der sich neben Bargeld, Pässe, Flugtickets und der Schlüssel zum Apartement befindet. Der Ganove greift zu, doch mein Vater ebenso und reisst im die Tasche wieder aus der Hand. Wie er ihm in diesem Moment ohne ein Wort portugiesisch oder spanisch klar gemacht hat, dass er ihm nur das Geld aushändigen will weiss ich nicht, aber er gibt ihm lediglich das Bargeld und der Jogger packt die Waffe wieder ein und zieht von dannen. So, nah war ich also davon entfernt als Halbwaise aufzuwachsen… Zum Glück ist diese Geschichte gut ausgegangen und kann nun immer wieder zum besten gegeben werden.
Das Stadion befindet sich gerade im Umbau für die Fussballweltmeisterschaft 2014, sowie die Olympischen Spiele 2016. Um zum Eingangsbereich zu kommen muss ich das Stadion einmal umrunden und ich muss sagen, obwohl ich viele zwielichtige Gegenden auf dieser Reise gesehen habe, ist es hier wirklich ungemütlich. Vom Museum aus kann man durch eine Glasscheibe einen letzten Blick in das Stadion werfen in dem ehemals 220.000 Menschen Platz gefunden haben. Zuletzt war die Kapazität jedoch auf 100.000 Zuschauer beschränkt und nach den Umbauarbeiten wird es ein Fassungsvermögen von “nur noch“ 80.000 Personen haben. Trotz dessen, dass ich quasi nur noch die Ruine vorfinde ist es toll nochmal an solch einer historischen Stätte gewesen zu sein. Und damit war ich in (bzw. einmal nur an) jedem Stadion dieses Kontinents auf dem ein WM-Enspiel ausgetragen wurde: Santiago de Chile (1962), Buenos Aires (1978), Montevideo (1930) und nun Rio de Janeiro (1950). Dem fussballerischen Auftrag auf dieser Reise ist damit nun auch genüge getan. Im Museum finden sich Fussabdrücke brasilianischer Ballzauberer, aber auch anderer internationaler Fussballgrössen, u.a. Franz Beckenbauer. Das Mädel, dass hier eine Art Guide spielt hat allerdings noch nie von ihm gehört, so dass ich ihr Fussballfachwissen erweitere, damit sie bei dem nächsten Besucher damit protzen kann. Ich probiere dann auch mal ein paar Füsse aus und stelle fest, dass mir dabei die von Pelé am besten passen…war aber auch nicht anders zu erwarten 😉 Im Ausgang kann man dann noch Fotos mit einer Nachbildung des WM-Pokals machen und ich möchte hiermit schon mal zeigen wie ich Philipp Lahm (oder wer immer dann Kapitän sein wird) im Sommer 2014 sehen möchte.
Abends packe ich dann nach langem mal wieder meinen Rucksack, da ich morgen weiter zu den Wasserfällen von Iguazu fliege um von dort weiter nach Paraguay zu reise. Endlich wieder ein leichter Rucksack! Trotz des mässigen Wetters bleibt die Erinnerung an eine tolle Zeit in Rio, was meinen durchwachsenen Gesamteindruck von Brasilien doch herausgerissen hat. Die Stadt hat wirklich etwas bezauberndes und es gibt so viele Dinge zu sehen und zu erleben, dass die Zeit dafür viel zu knapp war. Vielen Dank auf diesem Weg auch an meine Gastgeber, die mich herzlich aufgenommen haben und alles getan haben um mir eine tolle Zeit zu bereiten, was auch funktioniert hat. Doch jetzt geht es zur letzten Etappe dieser Reise, auf zu den grössten Wasserfällen der Welt.